Der österreichische Nationalrat hat den Abschlussbericht des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses, der inklusive der fünf Fraktionsberichte fast 1.000 Seiten umfasst, einstimmig zur Kenntnis genommen. Die Arbeit des Ausschusses ist nun abgeschlossen, und die Parteien ziehen sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen des Ausschusses. Während die ÖVP behauptet, der Ausschuss habe nur spärliche Erkenntnisse gebracht, haben SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS ein systematisches Korruptionsproblem innerhalb der Volkspartei ausgemacht.
Zwei Entschließungsanträge der SPÖ, die die Zusammenarbeit von ÖVP-Regierungsmitgliedern mit der Staatsanwaltschaft und die Auflösung der COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) betreffen, wurden abgelehnt. Auch ein Antrag von Jörg Leichtfried (SPÖ), den Innenminister während einer Debatte vorzuladen, fand keine Mehrheit. Leichtfried kritisierte die Abwesenheit von Regierungsmitgliedern bei der Diskussion. August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne) argumentierten hingegen, dass es nicht üblich sei, solche Anträge im Plenum zu stellen, und dass diese Angelegenheiten in der Präsidiumskonferenz behandelt werden sollten.
Nach fast einjähriger Untersuchung hat der ÖVP-Ausschuss keine Hinweise auf Korruption bei derzeitigen oder ehemaligen ÖVP-Regierungsmitgliedern gefunden, wobei die Partei behauptet, die Untersuchung sei politisch motiviert. Die anderen vier Fraktionen sind jedoch der Meinung, dass der Ausschuss Beweise für “Postenschacher“, Missbrauch öffentlicher Gelder und Bevorzugung von Wohlhabenden aufgedeckt hat. Auch die SPÖ und die FPÖ sind zu dem Schluss gekommen, dass die ÖVP ein systematisches Korruptionsproblem hat.
Die Fraktionsberichte enthalten mehrere Empfehlungen, darunter die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes, eine Obergrenze für Werbeausgaben, ausreichende Ressourcen für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und eine strengere Dokumentationspflicht. Weitere Vorschläge sind Fernsehübertragungen von Ausschussanhörungen, öffentliche Anhörungen für Spitzenpositionen und eine stärkere Berücksichtigung von Grund- und Persönlichkeitsrechten bei der Ausschussarbeit.