Der GDV veröffentlichte einen Artikel über die Ursachen und Auswirkungen einer invertierten Zinskurve. Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Inflation hat die EZB seit dem Sommer 2022 die Zinsen zehnmal angehoben, was zu einem Einlagenzins von 4% führte. Diese rapide Zinssteigerung wirkt sich unweigerlich auf das Zinsumfeld aus.
Die Struktur der Zinskurve, die die Zinssätze für unterschiedliche Anlagezeiträume widerspiegelt, ist ein entscheidender Indikator für die Geldpolitik, die konjunkturelle Lage und die Erwartungen der Marktteilnehmer. Normalerweise zeigt eine Zinskurve mit zunehmender Anlagedauer auch höhere Zinssätze. Die Euro-Short-Term Rate (€STR) und Bundeswertpapiere sind die üblichen Instrumente zur Bestimmung dieser Kurve. Eine Inversion der Kurve wird häufig durch den Vergleich der Renditen zwischen zweijährigen und zehnjährigen Bundesanleihen identifiziert, auch wenn dies ein unvollständiges Bild liefert.
Die €STR-Zinsstruktur steht in direktem Zusammenhang mit der geldpolitischen Ausrichtung der EZB. Seit November 2022 zeigt die Zinskurve eine Inversion, wobei kurzfristige Anlagen höhere Renditen als langfristige erbringen. Die Zinswende der EZB und die damit verbundene Unsicherheit über die zukünftige Inflations- und Zinsentwicklung führten zu einem Anstieg der kurzfristigen Zinsen. Höhere Terminprämien wurden für das gestiegene Zinsänderungsrisiko gefordert, während die langfristigen Renditen nur moderat stiegen.
Die Zentralbank beeinflusst mit ihrer Zinspolitik und durch Projektionen die gesamte Zinsstrukturkurve, einschließlich der langfristigen Zinsen. Die Inflationserwartungen spielen dabei eine bedeutende Rolle. Die jüngsten Entscheidungen der EZB haben zu einem Anstieg der langfristigen Zinsen und einem Rückgang der Inversion geführt. Es scheint, dass die Marktteilnehmer nun von einem höheren Zinsniveau und einer anhaltenden Inflation oberhalb des 2%-Ziels ausgehen.
Bundesanleihen zeichnen sich durch eine gute Bonität und hohe Liquidität aus, was sie auch in Krisenzeiten zu einer sicheren Anlage macht. Dies spiegelt sich in der Preisbildung durch Liquiditätsprämien wider, insbesondere nach dem russischen Überfall, als die Nachfrage nach Bundesanleihen stieg.
Für die Versicherungswirtschaft sind die langfristigen Zinsen von besonderer Bedeutung. Der aktuelle Trend könnte sich langfristig positiv auf das Neugeschäft auswirken, allerdings verursachen die Zinsanstiege auch einen Wertverlust für bestehende langfristige Wertpapiere. Sparalternativen, die sich an kürzeren Zinsen orientieren, könnten die Nachfrage nach langfristigen Versicherungsprodukten dämpfen.
Aus Sicht des GDV wird die Möglichkeit weiter steigender langfristiger Zinsen bei gleichbleibend hohen kurzfristigen Zinsen in Betracht gezogen, was die Zinskurve normalisieren könnte. Im Falle einer Rezession könnten die kurzfristigen Zinsen deutlich fallen, während die langfristigen Zinsen zunächst unverändert bleiben könnten.