Die BaFin veröffentlicht das Merkblatt 01/2023 (VA) zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten.
Mit dem Merkblatt will die BaFin sicherstellen, dass kapitalbildende Lebensversicherungen einen angemessenen Kundennutzen bieten. Außerdem sollen Interessenskonflikte beim Vertrieb dieser Produkte vermieden werden. Das Merkblatt richtet sich an in- und ausländische Lebensversicherungsunternehmen unter Aufsicht der BaFin, die in den Anwendungsbereich der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) fallen und kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte vertreiben.
Das Merkblatts umfasst Themen wie den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich, Rechtsquellen, Proportionalität und den Fokus des Merkblatts.
Im Merkblatt wird ausführlich auf die unternehmenseigene Feststellung eines angemessenen Kundennutzens der vertriebenen Produkte eingegangen. Es umfasst die Betrachtung der Produkte und Produkteigenschaften sowie die Kosten, Rendite (vor Kosten) und Szenarioanalysen. Die Sparkomponente wird als ein wesentlicher Aspekt des Kundennutzens im Hinblick auf den Zielmarkt hervorgehoben.
Die Veröffentlichung berücksichtigt auch ausgewählte Aspekte bei der Prämienkalkulation und der Durchführung der Überschussbeteiligung, einschließlich vorzeitiger Vertragsbeendigungen (Storno) und Kosten. Unterschiedliche Aufwendungen für verschiedene Vertriebspartner und -wege sowie Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an das Lebensversicherungsunternehmen (LVU) in der fondsgebundenen Lebensversicherung werden ebenfalls erörtert.
Die besonderen Produkteigenschaften in der fondsgebundenen Lebensversicherung, einschließlich der Basiswerte und der Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner des LVU, werden in dem Merkblatt ausführlich behandelt.
Die Veröffentlichung enthält ergänzende Hinweise zu Zielmarkt, Produktprüfung, Produktüberwachung und Dokumentationspflicht. Sie betont die Bedeutung der wiederholten Prüfung des Kundennutzens im Rahmen der Produktüberwachung und des Informations- und Beratungsaufwands beim Verkauf.
Schließlich behandelt das Merkblatt die unternehmenseigene Prüfung von Fehlanreizen in der Vertriebsvergütung, einschließlich der Vergütung durch das LVU und der Zahlungen Dritter an Vertriebspartner. Besondere Aufmerksamkeit wird auf die Rückvergütungen der Fondsgesellschaften in der fondsgebundenen Lebensversicherung gelegt.
Der Schwerpunkt des Merkblatts liegt auf dem Produktfreigabeverfahren. Lebensversicherer sollen einen angemessenen Kundennutzen ihrer Produkte gewährleisten und die hierfür nötigen Prozesse einrichten. Die Produkte müssen die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden erfüllen, die der Versicherer zuvor als Zielmarkt bestimmt hat. Produkte müssen Renditeziele mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreichen. Bei der Festlegung von Renditezielen sollten Versicherer unterscheiden zwischen einem nominalen Anlageerfolg, also einer positiven Rendite nach Kosten, und einem realen Erfolg, also einer positiven Rendite nach Kosten und Inflation. Darüber hinaus sollen Fehlanreize im Vertrieb durch Vorgaben zur Vertriebsvergütung vermieden werden.
Darüber hinaus legt die BaFin ihren risikoorientierten Aufsichtsansatz dar. „Im Falle von LVU, die Versicherungsanlageprodukte und sonstige kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte anbieten, bedient sich die BaFin hierbei definierter Risikoindikatoren. Die BaFin stützt sich auf Datenmaterial auf Ebene der einzelnen Unternehmen sowie der Branche insgesamt. Das von der BaFin genutzte Datenmaterial wird in separater Anlage in Auszügen auf Branchenebene veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert.“ Besonderes Augenmerk wird auf Versicherer gelegt, bei denen die Effektivkosten kapitalbildender Lebensversicherungsprodukte im Branchenvergleich auffallend hoch sind. Diese Kategorie umfasst Unternehmen, deren Hauptverkaufsprodukte Effektivkosten im oberen Viertel (über dem 75%-Quantil) der Branchenwerte liegen. Des Weiteren werden LVU näher geprüft, die durch hohe Aufwendungen für Versicherungsvermittler, insbesondere hohe Abschlussprovisionen, auffallen. Aufwendungen gelten dann als hoch, wenn sie im oberen Viertel (über dem 75%-Quantil) der Branchenwerte rangieren. Die BaFin wird bei Bedarf zusätzliche Kriterien berücksichtigen, beispielsweise die Stornoquote oder Rückvergütungen an Vertriebspartner durch Fondsgesellschaften. Bei einzelnen Versicherern könnten auch andere Auffälligkeiten eine intensivere Prüfung nach sich ziehen.